Plastikmüll ist ein grosses Thema und das nicht erst, seit Politiker sich auf ein Verbot für Einweggeschirr, Strohhalme oder Wattestäbchen geeinigt haben. Für den Verbraucher klingt das gut, inzwischen wird der Schrei nach kunststofffreier Verpackung immer lauter. Eine sinnvolle und wichtige Entwicklung. Und doch gilt es auch hier zu differenzieren.
Die Schweiz hat mit 172 Kilogramm den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Plastik im europäischen Vergleich. Jede Schweizerin und jeder Schweizer produziert 95 Kilogramm Kunststoffabfälle pro Jahr. Jährlich entstehen auf diese Weise 780.000 Tonnen Kunststoffabfälle in der Schweiz, wovon über 80 % verbrannt werden. Lediglich 80.000 Tonnen werden recycelt. Zum Vergleich: Die Recyclingquote bei Papier und Karton liegt in der Schweiz bei 95%.
Bei den Bildern, die die Verschmutzung der Ozeane mit Plastikmüll und die Gefahr für Tiere aufzeigen, wird schnell klar, warum das Thema Emotionen hervorruft. Hinzukommen Mikroplastikpartikel aus der Zersetzung von grösseren Plastikteilen in den Gewässern, Abrieb von Autoreifen, Kunststofftextilien oder Kosmetika. Rund sechs bis zehn Prozent der weltweiten Kunststoffproduktion landen laut Studie in den Weltmeeren.
Wie gelangt Plastikmüll ins Meer?
Ist Plastik besser als sein Ruf?
Früher wurde Plastik als wertvoll, ja als Wundermaterial angesehen. Heute dominieren erschreckende Daten und Bilder, die für die Imagekrise von Plastik sorgen. Doch ist das Anprangern von Kunststoffen gerechtfertigt?
Das eigentliche Problem mit Kunststoffen ist, dass die Kunststoffartikel oftmals eine geringe Halbwertszeit haben, in der Umwelt aber Jahrhunderte überdauern. Dabei gibt es durchaus Bereiche, in denen Kunststoff aus Sicht der Ökobilanz die bessere Alternative ist.
Papiertüten oder Plastiktüten?
Im ersten Moment wird wohl vermutet, dass Papiertüten grundsätzlich umweltfreundlicher sind. Das stimmt nicht zwingend! Denn Plastiktüten sind nicht immer schlecht. Oft wird nicht berücksichtigt, dass bei der Herstellung von Papiertüten fast doppelt so viel Energie benötigt und zudem noch eine deutlich höhere Belastung durch Chemikalien zur Behandlung der Zellstofffasern entsteht. Noch dazu ist Papier empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und weniger stabil. Plastiktüten hingegen sind reissfest und langlebiger.
Bei Tüten – egal aus welchem Material – kommt es vielmehr darauf an, wie häufig sie verwendet werden, weshalb Plastiktüten einen Vorteil mitbringen. Ebenfalls wichtig ist der Rohstoff aus dem Tüten gewonnen werden: Tüten aus Altpapier und Recyclingkunststoffen sind nachhaltiger als solche aus Frischfaser oder Erdöl.
Glasflaschen oder Plastikflaschen?
Neben der Häufigkeit der Verwendung kommt es hier auch auf die Transportwege an. Denn oftmals legen die Flaschen weite Strecken vom Abfüller zum Kunden zurück. Glasflaschen sind per se schwerer als Plastikflaschen. Bei langen Transportwegen ist das geringere Gewicht von Plastikflaschen von Vorteil. Auch bei der Herstellung wird bei Plastikflaschen weniger Energie benötigt als bei Glasflaschen. Weil Mehrwegflaschen als Glas oder Plastik häufiger verwendet werden können, haben sie eine bessere Ökobilanz. Im besten Fall werden Pool-Flaschen verwendet, sie zeichnen sich durch ein einheitliches Design aus und können von unterschiedlichen Abfüllern genutzt werden. Sie müssen nicht für die jeweiligen Hersteller sortiert werden, sondern können regional weitergenutzt werden. Dadurch entfallen etwaige lange Wege für den Rücktransport.
Eingeschweisste Gurken oder unverpackte?
Im Supermarkt ist das angebotene Obst und Gemüse meist mit Plastik verpackt. Bei einigen Produkten kommt man durchaus ins Grübeln: Ist das überhaupt sinnvoll? Gurken bringen mit der grünen Schale einen natürlichen Schutz mit, warum sind sie dann zusätzlich in Plastik eingeschweisst?
Auch hier gibt es tatsächlich verschiedene Ansichten. Eine Studie belegt beispielsweise: Eingeschweisste Gurken haben eine bessere Ökobilanz. Warum? Das Plastik schützt vor Transportschäden und reduziert Lebensmittelverluste, äussert sich Nils Rettenmaier, Experte des Instituts für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg. Laut Rettenmaier hat eine österreichische Studie herausgefunden, dass die Verluste bei eingeschweissten Gurken um die Hälfte geringer ausfallen. Aus diesem Grund ist der Einsatz von Plastikverpackungen ökologischer.
Die Kunststoffverpackung im Lebensmittelbereich hat noch einen weiteren Vorteil. Die Verpackung hält Sauerstoff, Feuchtigkeit, Licht und Reifegase von Obst und Gemüse fern und macht es dadurch haltbarer. In diesem Fall sorgt die Verpackung für weniger entsorgte Lebensmittel.
Plastik – was sonst?
In vielen Bereichen gibt es keinen sinnvollen Ersatz für Kunststoffe:
- In der Medizin werden Blutbeutel, Einwegspritzen, künstliche Gelenke und Prothesen aus Kunststoff eingesetzt.
- In der Elektronik werden Kabel mit Kunststoffen isoliert, um Gefahren wie Spannungsüberschlag, Kurzschlüsse und Verletzungen durch Stromschlag zu verhindern.
- Bei der Herstellung von technischen Geräten wie Computer und Smartphones ermöglicht Kunststoff die Herstellung von kleinen und leichten Bauteilen. Die Verarbeitung von Metallen ist deutlich kostenintensiver und geht mit einem höheren Gewicht einher. Hinzu kommt die wärmeleitende Eigenschaft von Metallen, die im Technikbereich nachteilig sein kann.
- In der Automobilindustrie, um die Karosserie so leicht wie möglich zu gestalten. Denn je schwerer ein Auto, desto mehr Kraftstoff wird beim Fahren benötigt. Kunststoff hat ein sehr geringes Gewicht und bietet sich mit geringen Produktionskosten für viele Bauteile an.
Ist Plastik jetzt gut oder schlecht?
Die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Vielmehr kommt es auf die einzelne Anwendung und Alternativen an. Aber wie die Beispiele zeigen sind Kunststoffe nicht annähernd so schlecht, wie die Berichtserstattung in den Medien vermuten lässt. Plastik kann tatsächlich in vielen Fällen die ökologische Alternative zu anderen – auf den ersten Blick nachhaltigeren Rohstoffen – sein. In einigen Branchen ist Kunststoff überhaupt nicht mehr wegzudenken und zu einem unverzichtbaren Material geworden. Die Empfehlung ist, Plastik nicht leichtfertig einzusetzen, sondern immer zu überprüfen, ob es nachhaltigere Möglichkeiten gibt. Generell gilt: Mehrfaches Wiederverwenden und/ oder umfunktionieren („second life“) verbessert die Ökobilanz. Von jedem Werkstoff. Immer.