Haben Sie es am Montag ploppen hören?
Das Geräusch kennt wirklich jeder. Den fesselnden Klang, wenn eine kleine Bubble unter den Fingern zerplatzt und die Luft explosionsartig austritt. Die Luftpolsterfolie ist wohl das populärste Verpackungsmaterial und macht das Auspacken zum Highlight. Egal ob jung oder alt – wer die Folie in Händen hält, kommt nicht umhin die Luftblasen mit einem zufriedenstellenden „Plopp“ zerplatzen zu lassen. Und mit ihrer Beliebtheit hat die Luftpolsterfolie es zu einem kuriosen Ehrentag gebracht: Der Ehrentag der Luftpolsterfolie findet jährlich am letzten Montag im Januar statt. Bereits 2001 durch den amerikanischen Radiosender „Spirit 95 Radio“ ins Leben gerufen, werden seither Jahr für Jahr Events veranstaltet, bei der sich alles um die Luftpolsterfolie dreht: Luftpolsterfolie-Wett-Zerdrücken, Erstellung von Luftpolsterfolie-Skulpturen oder auch Luftpolsterfolie-Fashion-Shows sorgen für Unterhaltung und gute Laune. Um die Schutzfolie hat sich inzwischen ein regelrechter Kult gebildet. Doch woher rührt die Faszination der Luftpolsterfolie?
1. Luftpolsterfolie beruhigt
Neben der praktischen Eigenschaft, verpackte Gegenstände zu schützen, gibt es noch weitere Gründe für die Beliebtheit des Materials. Die umgangssprachliche Benennung Knallfolie hat ihren Ursprung in dem spielerischen Reiz, den die Folie ausübt. Das Zerplatzen der Bubbles hat dabei eine beruhigende Wirkung.
Das wiederholte Ausführen einer Bewegung, ganz ohne Sinn und Zweck steigert die Aufmerksamkeit. Das wiederholte Klicken eines Kugelschreibers, Wackeln mit dem Bein, Fingernägelkauen, Däumchen drehen oder andere Verhaltensmuster werden oftmals als Gezappel wahrgenommen, steigern aber die Aufnahmefähigkeit. Dazu gehört auch das Platzenlassen der Kultfolie.
„Fidgeting“ ist übrigens der englische Begriff für das Rumgezappel. Die Fidget Spinner genannten Handkreisel lösten vor einigen Jahren einen regelrechten Hype aus, der allerdings längt abgeklungen ist. Ist die Luftpolsterfolie also der bessere Fidget Spinner?
2. Luftpolsterfolie floppt bevor sie ploppt
Vor 63 Jahren fanden Alfred Fielding und Marc Chavannes einen Weg, Luftblasen zwischen zwei Duschvorhängen aus Kunststoff einzuschliessen, um daraus ein Muster aus winzigen Blasen zu erzeugen. Das Endprodukt war eine Strukturtapete im Stil der Avantgarde. In dieser Hinsicht floppte die Luftpolsterfolie. Der Versuch, die Kreation als Gewächshausisolierung zu verkaufen misslang ebenfalls.
Die beginnende Computerisierung beflügelt das Geschäft jedoch: IBM brachte das Datenverarbeitungssystem 1401 auf den Markt und benötigte zuverlässige Schutzverpackung für den Versand der hochsensiblen Transistoren. Das bis dahin übliche Polstermaterial Papier war für diese Zwecke nicht geeignet. Die Luftpolsterfolie erwies sich hingegen als ideale Verpackungslösung. Der Siegeszug und die Freude am Ploppen begannen.
3. Luftpolsterfolie ist Kunst
150 Stunden braucht der der kanadische Künstler Bradley Hart für eines seiner Bilder. Mithilfe von Luftpolsterfolie erstellt er fotorealistische Pixelgemälde. Durch Spritzen injiziert er Farbe in die Luftblasen und erstellt so seine Kunstwerke. Bei Ausstellungen stellt er dabei sowohl die Vorder- als auch die Rückseite der Gemälde aus oder kombiniert diese sogar.Aber nicht nur mit den Gemälden von Bradley Hart schafft es die Luftpolsterfolie in die Museen. Als „Humble Masterpiece“, als bescheidenes Meisterwerk, hat die Kultfolie es auch ins MoMAQNS – The Museum of Modern Art, Queens – geschafft. Die Ausstellung sollte anregen, Gegenstände des täglichen Lebens als Meisterwerke zu betrachten. Denn in der Regel wird die Balance zwischen Form und Funktion nicht wahrgenommen, solange der Nutzen erfüllt wird. Neben der Luftpolsterfolie sind noch weitere Gegenstände wie etwa der Teebeutel, Q-tips, Flaschenöffner, Feuerzeug oder das Post-it ausgestellt.
4. Luftpolsterfolie sorgt für Abriegelung eines Luftwaffenstützpunktes
Für grosse Aufregung sorgte 2015 ein Notruf in Albuquerque, bei dem Schüsse gemeldet wurden. Die Militärbasis Kirtland Air Force Base und benachbarte öffentliche Schulen wurden daraufhin abgeriegelt. Nach 45 Minuten wurden keine Hinweise auf Schüsse gefunden und die Abriegelung wieder aufgehoben. Es stellt sich heraus, dass es sich bei den vermeintlichen Schüssen um das Geräusch von platzender Luftpolsterfolie handelte: Lufteinschlüsse in Sandwich-Grösse wurden zum Platzen gebracht.
5. Luftpolsterfolie kann Kinderleben retten
Lewis und Logan sind gesunde und aufgeweckte dreijährige Zwillinge und ihr Leben verdanken sie der Luftpolsterfolie. Schon während der 25. Schwangerschaftswoche kamen die beiden viel zu früh auf die Welt. Bei einer solchen Geburt sind Frühchen anatomisch noch nicht ausgereift. Wegen mangelnder Fettschicht, der dünnen Haut und dem schwachen Immunsystem sind sie besonders anfällig und kühlen sehr schnell aus: In einem 25 Grad warmen Kreissaal fällt die Körpertemperatur eines Neugeborenen um 4 Grad in nur 5 Minuten. Um auf dem Weg zum Inkubator und der weiteren medizinischen Versorgung vor Kälte zu schützen greifen Ärzte häufig zu Frischhaltefolie. Bei Lewis und Logan entschieden sich die Ärzte hingegen für Luftpolsterfolie. Diese ist im Vergleich zu Frischhaltefolie mindestens zweilagig und schützt Frühchen effektiver gegen Luftstösse. Die Folie hat die Zwillinge von der Kälte isoliert und zu ihrem Überleben und der heute gesunden Entwicklung beigetragen.
6. Luftpolsterfolie ist an Filmsets nicht wegzudenken
Drehtage können für die Schauspieler ganz schön lang werden. Durch Lichtwechsel und unterschiedliche Kameraperspektiven geht viel Zeit verloren. Eine durchschnittliche Tatort-Folge erfordert rund 25 Drehtage, wohingegen die „Herr der Ringe“-Triologie 2.350 Drehtage erforderte.
Stellt man sich die Wanderung der Hobbits mit all dem Gepäck vor, kann man sich kaum vorstellen, dass die Rucksäcke über die gesamte Zeit schwer beladen waren. Sieht man einen Film oder eine Fernsehserie, deren Handlung sich in der Schule abspielt, lässt das ebenfalls vermuten, dass die Rucksäcke nicht mit schweren Büchern, sondern während langen Drehtagen durchaus nur mit Luftpolsterfolie gefüllt sind.
7. Luftpolsterfolie inspiriert junge Erfinder
Die Sealed Air Corporation sponserte bis ins Jahr 2010 einen Luftpolsterfolienwettbewerb für junge Erfinder. Der Wettbewerb sollte Grundschüler dazu ermutigen, alternative Verwendungsmöglichkeiten für die Kultfolie zu entdecken. Als Preisgeld erhielten die Gewinner bis zu 10.000 $.
Prämierte Ideen waren etwa:
- 3D-Puzzle des Empire State Buildings
- Tapete, die autistische Kinder aufgrund der Blasen und einem beruhigenden blauen Hintergrund anregt und einbezieht
- Verstellbares Handgelenkskissen, um die Symptome des Karpaltunnelsyndroms bei Computernutzern vorzubeugen und zu lindern
- Eine Schaukel für Kinder mit Bewegungsstörungen
- Ein Gerät, das bei der Toilettenspülung Energie und Wasser spart
- Eine kostengünstige Alternative zu Petrischalen
Ein Leben ohne ploppende Luftpolsterfolie ist möglich, aber sinnlos
Wie die oben genannten acht Beispiele aufzeigen, ist Luftpolsterfolie weit mehr als eine Polsterung und kann in den unterschiedlichsten Lebensbereichen angewendet werden. Allerdings wird die Folie hier immer mit den einzelnen Lufteinschlüssen, den Bubbles, verknüpft. Dabei gibt es längt die unterschiedlichsten Luftpolsterfolien. Um Kosten bei der Lagerung und dem Transport einzusparen, wurde die luftleere Polsterfolie eingeführt. Die Folie wird erst bei Bedarf mit Luft gefüllt. Allerdings handelt es sich dann nicht um einzelne Bubbles, sondern um eine einzelne Luftkammer, die gefüllt wird. Das explosionsartige Ploppen geht damit auch verloren. Die Sealed Air Corporation hat in der Vergangenheit schon eine Luftpolsterfolie erfunden, deren Bubbles quasi unzerstörbar waren. Das gefiel den Kunden aber gar nicht.
Ist das Ploppen also unverzichtbar für die Luftpolsterfolie?
Quellen:
https://www.moma.org/momaorg/shared/pdfs/docs/explore/exhibitions/humble_checklist.pdf
https://www.nmoe.org/11/bubble-wrapr-competition-young-inventors