Die Klischees sind weithin bekannt: Die Franzosen sind chaotisch aber gleichermassen romantisch, die Briten sind trinkfest (oder doch zumindest trinklustig) und haben zweifelhafte Essgewohnheiten, wir Schweizer gelten als neutral und stets mit Schokolade und Sackmesser ausgerüstet. Unsere deutschen Nachbarn haben den Ruf auch nachts auf weiter Flur an roten Ampeln zu stehen und die Norm zu lieben.
So ist es bestimmt kein Zufall, dass die für die Wirtschaft unverzichtbare Normung einer Vielzahl von Produkten und Vorgängen ausgerechnet in Deutschland seinen Ursprung fand – mit der Gründung des Normenausschusses der Deutschen Industrie im Dezember 1917 – dicht gefolgt von der Gründung des SNV, der „Schweizerischen Normen-Vereinigung“ in 1919.
Wirtschaftlicher Nutzen von DIN Normen
Die Festlegung von Normen und somit die Einigung auf allgemeingültige Abläufe, Masse, Standards und Eigenschaften ist für die Weltwirtschaft unabdingbar. Handel und Produktion weltweit ist nur dann möglich, wenn eindeutige und über Landesgrenzen hinaus gültige Regeln gelten. Normen sind ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor. Die Normung trägt nach einer Studie des DIN, der SNV und des ON (Österreichisches Normungsinstitut) ungefähr ein Prozent des BIP bei. Für die Schweiz sind dies etwa 4,2 Milliarden Franken pro Jahr. Dabei profitieren Unternehmen nicht nur durch die „passive“ Anwendung der Normen, sie können auch aktiv an der Entstehung neuer Normen mitwirken. Bei der Entwicklung neuer Technologien beispielsweise, aber auch in Bereichen wie Arbeitsschutz oder Umweltschutz lässt sich durch den eigenen Input am Normierungsprozess im Austausch mit Expertengruppen ein Wissensvorsprung erarbeiten, der das eigene Unternehmen entscheidend voranbringen kann.
Relevant für unsere Kunden sind die DIN Normen natürlich im Bereich der Versandkartons zum Beispiel bei Kartongrössen und -Formaten, aber auch in Bereichen der PSA (persönlichen Schutzausstattung) wie Schutzhandschuhen, Lebensmittelverpackungen oder beim Thema Regalsicherheit.
Wie entstehen SN Normen?
Aber wie entsteht eigentlich so eine Norm? SN steht für Schweizer Normen und werden von der SNV, der Schweizerischen Normen-Vereinigung ausgegeben. Sie vertritt die Schweizer Interessen in der europäischen und internationalen Normung. Die SNV ist Mitglied bei CEN und ISO. Die Mitarbeitenden der SNV sind Projektmanager von nationalen, europäischen und internationalen
Normungsprojekten. Die SNV bietet allen Interessierten die Plattform zur Erarbeitung von Normen als Dienstleistung für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die Inhalte der Normen und Standards werden von rund 3000 Schweizer Experten aus Wirtschaft, öffentlicher Hand, Forschung und Gesellschaft aktiv mitbestimmt.
Normen werden nicht durch den Gesetzgeber, eine Behörde oder einen staatlichen Regulator erarbeitet, sondern durch die interessierten Kreise selbst. Jeder kann einen Normungsantrag stellen. An der fachlichen Arbeit in den Normenkomitees können sich alle am Thema Interessierten beteiligen und ihr Fachwissen einbringen. Damit der Markt die erstellten Normen auch akzeptiert, strebt die SNV eine möglichst breite Beteiligung am Normungsprozess an und versucht, eine Vielzahl von Interessensvertretern in den Normungsprozess mit einzubeziehen. Jeder Antrag wird Experten aus den Fachbereichen zur Prüfung vorgelegt, die einen Normenentwurf erstellen, der wiederum der Öffentlichkeit zur Kommentierung vorgelegt wird, die Kommentare werden von der Arbeitsgruppe bewertet und ein finaler Normenentwurf erstellt der dann publiziert wird. Die SNV gliedert sich in die folgenden sieben Fachbereiche:
- Interdisziplinärer Normenbereich (INB)
- Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (SWISSMEM)
- Bauwesen (SIA)
- Strassen- und Verkehrswesen (VSS)
- Uhrenindustrie (FH)
- Elektrotechnik (Electrosuisse)
- Telekommunikation (asut)
Weil die Schweiz ihre technischen Vorschriften auf diejenigen ihrer wichtigsten Handelspartner abstimmt (Art. 4 THG) und die Schweizer Normen zumindest teilweise unverändert von internationalen (ISO/IEC) und regionalen (CEN, CENELEC, ETSI) Normungsorganisationen übernommen werden, finden harmonisierte Normen durch Verweisungen im Schweizer Recht auch in der Schweiz Anwendung.
So bestimmen SIE die Norm
Hat das Experten-Gremium sich auf einen Norm-Entwurf geeinigt, wird dieser veröffentlicht und kann üblicherweise sechs Wochen lang von der Öffentlichkeit kommentiert werden. Jeder eingegangene Standpunkt wird wiederum vom Expertengremium diskutiert und im Zweifel wird die Norm nachgebessert.
Sie interessieren sich für die Entstehung einer Norm? Hier finden Sie dazu ein anschauliches Video:
DIN A4 – Die Norm aller Normen!
Die SNV feierte 2019 ihren 100. Geburtstag. Anfang Juli 1919 wurde in Baden der Schweizerische Normalien-Bund gegründet, der Name wird einige Jahre später auf die noch heute gültige Bezeichnung Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) geändert. Ziel ist es sich über das Bedürfnis einer gemeinsamen Normungsarbeit. 1926 sind unter anderen die Schweizer Normenfachleute bei der Gründung der International Federation of National Standardizing Associations (ISA) und stellt von 1928 bis 1931 sogar ihren ersten Präsidenten. 20 Jahre später wird aus ihr die International Organization for Standardization (ISO) mit Sitz in Genf. Auch als 1961 das Europäische Komitee für Normung unter dem Namen Comité Européen de Normalisation (CEN) gegründet wird, erfolgt die Grundsteinlegung in Zürich.
Wie eng die nationalen Organisationen jeweils zusammen arbeiten zeigt die DIN Norm der Papierformate, sozusagen die Norm aller Normen: Die Frage nach den Papierformaten ist in den 1910er Jahren noch ungelöst. Im Jahr 1922 schliesslich setzt der Ingenieur Walter Porstmann in Deutschland die Idee des konstant bleibenden Seitenverhältnisses als DIN-Norm durch. Ausgangsmass für die Papierformate ist DIN A0 mit einer Fläche von einem Quadratmeter. Alle anderen Formate leiten sich davon durch Halbieren oder Verdoppeln der Fläche ab, sodass ein konstantes Seitenverhältnis von 1 : √2 entsteht. Daraus ergibt sich schliesslich auch das DIN-A4-Format, das jedes Schulkind kennt. Auf diese Weise wurden die exakten Masse von Papier, Kartons, Plakaten etc. geregelt. 1924 wird das Maß auch in der Schweiz als Standard eingeführt auch wenn die Übergangszeit bis alle Formulare aufgebraucht waren 12 (!) Jahre gedauert hat. 1941 wird durch die Rohstoffverknappung aufgrund des Krieges ein Erlass verabschiedet, dass nur noch Fertigpapiere aus der A-Reihe produziert werden dürfen – wodurch das DIN-Format endgültig zum Normalformat in der Schweiz wird.
Rund 26.000 Normen in der Schweiz
Etwa drei Viertel der Schweizer Normen sind europäische Normen, gekennzeichnet mit dem Zusatz EN, die übrigen sind grösstenteils Normen der ISO. Rein schweizerische Normen sind lediglich etwa 900. Die Zahl der weltweit geltenden Normen wird etwas vage auf mehrere Hunderttausend geschätzt. Dabei gibt es sogar eine Norm, die den Begriff Norm regelt! Unter der EN 45020 findet sich folgender Eintrag: „Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde und das für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse festlegt (…).“